Bedrohung durch interpersonelle Gefahren auf Yachten im Risikogebiet

19.12.2017

Wie bedroht sind Segelyachten und Motoryachten jeglicher Art durch Dritte?

In großen Städten gibt es gelegentlich Stadtteile, die aufgrund von Unbehagen gemieden werden. Ähnlich verhält es sich mit gefährlichen Seegebieten. Neben verschiedenen natürlichen Gefährdungen lauern zahlreiche interpersonelle Gefahren, wie Raub und Geiselnahme (häufig auch als Piraterie bezeichnet) sowie sporadischen Taten mit terroristischem Hintergrund, auf den Weltmeeren. Die Vermeidung von Übergriffen auf dem Wasser ist jedoch nicht immer möglich, da Meerengen und andere Passagen selten verhältnismäßig umfahren werden können, um adäquat den Zielort zu erreichen.

Die Risikogebiete befinden sich derzeit hauptsächlich in West- und Ostafrika, Südostasien sowie Zentralamerika. In dem Zeitraum von 2011 bis 2016 wurden über 200 verdächtige Vorfälle gemeldet.

Ausschlaggebende Bedingungen für die Entstehung eines Risikogebietes sind eine instabile Sicherheitslage, eingeschränkte staatliche Kontrolle über weite Teile der Küstenbereiche und/oder Korruptionsanfälligkeit. Sowie eine günstige geografische Lage, wie sie Meerengen, Inselketten und hoch frequentierter Schiffsbetrieb bieten.

Bevor Sie eine sorglose romantische Urlaubsreise oder eine Abenteuerfahrt in diesen Gebieten beginnen, sollten Sie über mögliche Risiken nachgedacht haben. Hierzu muss die Sicherheit der Crew, der Familie und einem selbst mit den potenziellen Gefahren abgewogen werden. Es stellt sich die Frage: Wie groß ist mein Risikoappetit? Denn nicht nur das Reisen an Land in instabilen Gebieten ist hoch gefahrenträchtig. Auch die vermeintlich sichere See ist nicht zu unterschätzen.

Sicherlich lässt sich das Risiko eines Überfalls gänzlich vermeiden, indem die Reise nicht angetreten wird. Doch ist dies keine akzeptable Lösung. Denn durch gezielte personelle, operativ-taktische und technische Maßnahmen ist es möglich das Risiko zu vermindern. Ferner ist es wichtig das Risiko zusätzlich finanziell abzusichern, indem entsprechende Versicherungen, die interpersonelle Gefahren einschließen und bestimmte Seegebiete nicht ausschließen, abgeschlossen werden.

Dadurch kann das Risiko auf ein individuell akzeptables Niveau reduziert werden. Ein Restrisiko bleibt aber dennoch bestehen.

Wie gehen die Täter vor und was motiviert sie?

Zwar steht im Fokus von Überfällen die kommerzielle Seeschifffahrt, aber nicht selten sind auch Yachten betroffen, wie das folgende Beispiel deutlich zeigt:

Am 04.04.2008 ist die 88 Meter lange Superyacht “Le Ponant” vor der Küste Somalias von zwölf Piraten überfallen worden. Kurz zuvor hat ein harmlos erscheinendes Fischerboot die Weiterfahrt blockiert. Nach dem Ausweichmanöver wurde die Yacht von zwei Schnellbooten attackiert. Die 30-köpfige multinationale Besatzung war eine Woche unter der Gewalt der Piraten. Für die Befreiung musste ein Lösegeld in Millionenhöhe gezahlt werden. Infolge der anschließenden Verfolgung der Entführer durch französische Soldaten wurden sechs von ihnen gefangen genommen und der französischen Gerichtsbarkeit zugeführt.

Das Beispiel zeigt auf, dass die Überfälle teilweise sehr detailliert geplant sein müssen. Die Modi Operandi der Übergriffe sind insgesamt allerdings sehr vielfältig. Beispielsweise können es einfache Fischer sein, die eine Gelegenheit für schnelles Geld wittern. Diese Übergriffe sind eher spontan und unkoordiniert. Auf der anderen Seite gibt es etablierte Piraten- und Terrornetzwerke, welche gut organisiert, ausgestattet und vernetzt agieren. Von diesen Gruppen geht ein höheres Gewaltpotenzial aus.

Die interpersonelle Gewalt mit hoher Eingriffsintensität gegenüber der Besatzung kann in zwei Grundmotivationen eingeteilt werden:

• Raub und Entführung (Piraterie) auf einem Schiff mit dem Ziel der Bereicherung
• Terroristische Aktivitäten mit dem Ziel eine politische Forderung durchzusetzen

Warum sind Yachten besonders gefährdet?

Eine Yacht, gleich welcher Art, ist ein Zeichen des Wohlstandes. Dies potenziert sich zusätzlich in Gebieten großer Mittellosigkeit und der daraus resultierenden Perspektivlosigkeit. Somit wird eine Yacht zu einem potenziell lukrativen Ziel für Bereicherungszwecke.

Des Weiteren hat eine Yacht ein geringes Freibord und oftmals nur eine geringe Anzahl an Crewmitgliedern. Dadurch reduziert sich die Möglichkeit zur passiven und aktiven Gegenwehr.

Wo befinden sich die aktuellen Risikogebiete?

Die Verteilung ist weltweit. Der geografische Schwerpunkt schwankt jedoch stetig. So kann nicht gesagt werden, welches Seegebiet am höchsten gefährdet ist. Im Folgenden wird eine Auswahl von vier wesentlichen Risikogebieten erläutert.

Ostafrika

Hohe Bekanntheit erlangte das Thema moderne Piraterie durch die zahlreichen Entführungen entlang der somalischen Küste. Seit dem Jahr 2014 ist sie stark zurückgegangen. Die professionellen Clanstrukturen sind jedoch nach wie vor intakt.
Nicht nur vor der Küste Somalias besteht ein erhöhtes Risiko für Überfälle. Sondern auch von den Delinquenten der Nachbarstaaten Jemen, Oman, Kenia und Mosambik geht eine Gefährdung aus.
Das AA hat eine Reisewarnung für Jemen (1) und Somalia (2) veröffentlicht. In beiden Ländern gibt es derzeit keine deutsche Auslandsvertretung.
(1)https://www.auswaertiges-amt.de/de/jemensicherheit/202260
(2)https://www.auswaertiges-amt.de/de/somaliasicherheit/203132

Westafrika

Entlang der Küste Westafrikas ist besonders der Golf von Guinea gefährdet. Die Übergriffe häufen sich vor der Küste Nigerias und dort im speziellen im Nigerdelta. Der Grund für das hohe Aufkommen ist laut des Bundesnachrichtendienstes die anhaltende Verschmutzung der Gewässer. Infolge dessen ist der Fischfang, der eine wichtige Einnahmequelle der küstennahen Bevölkerung ist, stark eingeschränkt. Um der Armut zu entkommen schließen sich viele Fischer der organisierten Kriminalität an. Die daraus resultierenden Übergriffe sind verschiedenartig: Von Plünderung über langanhaltende Entführungen und Erpressungen weisen viele dieser Angriffe eine hohe Aggressivität aus.

Aufgrund dessen hat das Auswärtige Amt (AA) eine Teilreisewarnung für das Land Nigeria (3) herausgegeben und rät ausdrücklich davon ab den Golf von Guinea zu befahren.
(3) https://www.auswaertiges-amt.de/de/nigeriasicherheit/205788

Südostasien

Aufgrund der Zunahme von Überfällen in der Straße von Malakka4 und im Südchinesischen Meer (4) rät das AA zur besonderen Vorsicht auf. Hierbei zählen die Länder Indonesien, Malaysia und Philippinen als Risikogebiete. Die Überfälle werden vor allem nachts durchgeführt und sind zumeist schnelle Raubzüge ohne die Besatzung zu entführen.
(4)https://www.auswaertiges-amt.de/de/indonesiensicherheit/212396

Zentralamerika

Die zunehmende landseitige Kriminalität Venezuelas (5), speziell der Anstieg von Entführungen und Drogendelikten, wirkt sich auch auf die Häfen und Gewässer aus. Insbesondere warnt das AA Segelschiffe vor möglichen sporadischen Überfällen. Diese finden zumeist tagsüber in Häfen und küstennahen Gebieten statt. Zudem sind auch Teile der Küste Ecuadors, Guatemala und Honduras betroffen.
(5)https://www.auswaertiges-amt.de/de/venezuelasicherheit/224982

Ausblick

Die Sicherheitslage aller Länder ist im ständigen Wandel. Durch Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage sowie das konsequente Vorgehen der Behörden kann die Zahl der Übergriffe minimiert werden. Genauso kann durch eine Verschlechterung der Bedingungen ein gegenteiliger Effekt in Küstenstaaten erreicht werden. In Anbetracht des stetigen Wechsels muss das Risiko vor jeder Fahrt neu bewertet werden, ohne sich zu sehr auf die Vergangenheit zu verlassen.

Keep in mind

• Jegliche Art von Yacht ist gefährdet
• Maßnahmen können das Risiko auf ein individuell akzeptables Niveau reduzieren
• Instabile Sicherheitslage, Mittellosigkeit und günstige geografische Lage begünstigen die Entwicklung eines Risikogebietes
• Derzeitige Risikogebiete sind West- und Ostafrika, Südostasien und Zentralamerika
• Piraterie verfolgt private Ziele, oft Bereicherung
• Terrorismus dagegen ist politisch motiviert und seltener
• Eine stetige Neubewertung des Risikos ist unabdingbar

Quellen:
Hympendahl, K. (2002). Yacht-Piraterie. ISBN 3-7688-1389-4.
Yacht 24/16 (2016). Abenteuer, aber sicher. ISSN 0043-9932.

Anmerkung Seitens der Privatimus GmbH: Dies ist ein Blogbeitrag von Christian Kluge.

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