Besonderheiten bei Geschäftsreisen von geheimschutzbetreuten Unternehmen

15.10.2018

Geheimschutzbetreute Unternehmen haben die Pflicht gegenüber dem Staat, die ihm anvertrauten geheimen Informationen zu schützen. Dies gilt ebenso auf Geschäftsreisen des sicherheitsüberprüften Personals. Da diese insbesondere im Ausland im hohen Maße Ziel fremder Nachrichtendienste und Konkurrenzunternehmen sein können.

Der Geheimschutz (GHS) unterliegt grundsätzlich der nationalen Zuständigkeit und wird im Folgenden aus der deutschen Perspektive betrachtet. Denn insbesondere bei international agierenden Unternehmen kann es zu Überschneidungen verschiedener nationaler Vorschriften kommen.

Nicht nur in öffentlichen Einrichtungen kommt der GHS zu tragen. Auch im privaten Sektor, wie Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen werden Verschlusssachen (VS) verarbeitet oder entstehen dort durch Forschung und Entwicklung. In diesen Unternehmen entfalten die geheimschutzrelevanten Vorschriften Gültigkeit. Insbesondere das Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) und das darauf basierende GHS-Handbuch sind maßgeblich.

Unter VS werden gem. §4 (1) SÜG die Informationen bezeichnet, die aus staatlicher Sicht besonders geheim zu halten sind. Da sonst die äußere bzw. innere Sicherheit oder auswärtige Beziehungen Deutschlands beeinträchtig werden können. Die Darstellungsform (Schriftstück, gesprochenes Wort, elektronische Daten usw.) der VS ist dabei unerheblich. Ausschlaggebend ist stets die Kennzeichnung der Information als VS. Es gibt gem. §4 (2) SÜG vier Geheimhaltungsstufen, die sich entsprechend ihrem Grad der Schutzbedürftigkeit unterscheiden:

• VS- NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH (geringe Schutzbedürftigkeit)
• VS-VERTRAULICH
• VS-GEHEIM
• VS-STRENG GEHEIM (hohe Schutzbedürftigkeit)

Für die weitere Betrachtung von Geschäftsreisetätigkeiten sind ausschließlich die Geheimhaltungsstufen ab VS-VERTRAULICH und höher relevant. Für VS-NfD sind gelockerte Vorschriften anzuwenden. Auch Unternehmensgeheimnisse sind von den GHS-Vorschriften ausgeklammert. Zur klaren Trennung sollten interne Kennzeichnungen genutzt werden, die sich deutlich zu den amtlichen unterscheiden.

Die zuständige Behörde für den GHS in der Wirtschaft ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Das BMWi betreut und kontrolliert gem. §25 SÜG die Umsetzung der GHS-Vorschriften im Unternehmen. Wird ein VS-Auftrag mit der Einstufung VS-Vertraulich oder höher an ein Unternehmen erteilt, dann arbeitet das BMWi mit dem Unternehmen auf Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zusammen. Die Durchführung der gebotenen GHS-Maßnahmen verantwortet das Unternehmen selbst. Daher kommt dem Sicherheitsbevollmächtigten (SiBe) eine gesonderte Stellung im Unternehmen zu.

Der SiBe ist innerhalb des Unternehmens für die Umsetzung der GHS-Vorschriften verantwortlich. Bei Unternehmen mit mehreren Gesellschaften kann der SiBe in diesen durch den ständigen Vertreter vor Ort vertreten werden.

Der SiBe ist auch dafür verantwortlich, dass die Mitarbeiter, die mindestens VS-VERTRAULICH verarbeiten sollen, einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Ziel einer Überprüfung ist es festzustellen, ob der Überprüfte zuverlässig ist, sich zur freien demokratischen Grundordnung bekennt und weder durch seine finanzielle Situation noch verwandtschaftlichen Beziehungen in ein Land, für das besondere Sicherheitsregelungen gelten, erpressbar ist. Diese Länder werden auf der sogenannten „Staatenliste“ (im Sinne von §13 (1) Nummer 17 SÜG) aufgrund der politischen Verhältnisse, der Rechtsordnung und nachrichtendienstlichen Erkenntnisse vermerkt.

Vor der Geschäftsreise

Die GHS-Vorschriften gelten jedoch nicht pauschal für alle reisende Mitarbeiter eines geheimschutzbetreuten Unternehmens. Sie finden nur Anwendung auf Reisende, die eine gültige erweiterte Sicherheitsüberprüfung haben und eine Reise in oder durch ein Land der Staatenliste planen.

Im §32 SÜG werden die Reisebeschränkungen geregelt. So kann das Personal gem. §32 (1) SÜG vom zuständigen SiBe verpflichtet werden die geplante Geschäftsreise rechtzeitig vor Reisebeginn bei ihm anzuzeigen. Dies dient dazu, dass eine aktenkundige Belehrung stattfinden kann. Bei den Belehrungsinhalten handelt es sich insbesondere um adäquate Verhaltenshinweisen bei Reisen in Ländern, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten. Hierzu eignet sich als Belehrungsgrundlage die Anlage 22 des GHS-Handbuches „Merkblatt für Auslandsreisen von VS-Ermächtigten“. Für den aktenkundigen Nachweis kann das Formblatt „Nachweis über die Wiederholung der Belehrung“ des GHS-Handbuches genutzt werden. Dieses ist der Sicherheitsakte des jeweiligen Reisenden aufzunehmen.

Weitere präventive Maßnahmen sind unter anderem:

• Aufnahme geheimschutzrelevanter Regelungen, wie Verantwortlichkeiten und Abläufe, in die Reise(sicherheits)richtlinie
• Genehmigung des SiBe bei Mitnahme von VS auf die Reise
• Bereitstellung von Informationen über die nachrichtendienstliche Bedrohung im Reiseland durch den zuständige SiBe
• regelmäßige Sensibilisierung der Mitarbeiter über die Vorgehensweisen und Ziele fremder Spionageaktivitäten

Jedoch kann der zuständige SiBe gem. §32 (2) SÜG die geplante Reise untersagen, wenn konkrete Anhaltspunkte über den Reisenden vorliegen oder dieser einer besonders sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nachgeht, die eine erhebliche Gefährdung durch ausländische nachrichtendienstliche Aktivitäten erwarten lassen. Denn alle getroffenen Maßnahmen dienen nicht nur dem staatlichen Interesse der Geheimhaltung von VS sondern auch dem Schutz des Reisenden selbst.

Während der Geschäftsreise

Sollte es im Laufe der Reise zu einem geheimschutzrelevanten Vorkommnis, wie Anbahnungs- oder Werbeversuche, unbefugte Kenntnisnahme von VS oder Verlust von VS, kommen, so sind vom Reisenden situationsangepasste Schutzmaßnahmen einzuleiten. Spätestens nach Beendigung der Reise ist unverzüglich der zuständige SiBe zu informieren. Dieser leitet alle notwendige Maßnahmen ein.

Kommt es zu einer nachrichtendienstlichen Verstrickung kann im Rahmen der freiwilligen Offenbarung des Reisenden gegenüber dem SiBe oder der zuständigen Behörde von einer Strafverfolgung gem. §153 e Strafprozessordnung abgesehen werden.

Um die Möglichkeiten einer Verstrickung zu minimieren, sollte folgendes beachtet werden:

• im Reiseland unauffällig verhalten („Low Profil“)
• mit erhöhter Wachsamkeit gegenüber nachrichtendienstlichen Aktivitäten reisen
• mitgeführte IT-Geräte und Daten bzw. Unterlagen auf das Nötigste reduzieren, möglichst einen eigens vorgehaltenen Reiselaptop nutzen
• VS nicht in der Öffentlichkeit besprechen (Hotel, öffentlicher Nahverkehr usw.)
• die geltenden Vorschriften des Reiselandes beachten, insbesondere Ein- und Ausreisebestimmungen, Verkehrsbestimmungen sowie Verbote von Ton- und Bildaufnahmen
• bei Verwicklung mit den lokalen Behörden im Reiseland sollte die eigene diplomatische Vertretung (Botschaft, Konsulat) hinzugezogen werden

Nach der Geschäftsreise

Nach Rückkehr des Reisenden ist dieser gem. §32 (3) SÜG verpflichtet geheimschutzrelevante Vorkommnisse an seinen zuständigen SiBe zu melden.

Des Weiteren sollte grundsätzlich eine Nachbesprechung durch den zuständigen SiBe erfolgen. Dies dient zum einen der Feststellung von nicht offensichtlichen geheimschutzrelevanten Vorkommnissen und zum anderen der kontinuierlichen Verbesserung von Reisevorbereitung und -durchführung. Auch an dieser Stelle eignet es sich, das angefertigte Nachbesprechungsprotokoll der Sicherheitsakte des Reisenden beizulegen.

Keep in Mind

• Auch auf Geschäftsreisen ist der Schutz geheimer staatlichen Informationen zu wahren
• Bedingungen für besondere Reiseregelungen: sicherheitsüberprüfter Mitarbeiter, mindestens Auftrag der Stufe VS-VERTRAULICH, Reiseland, welches auf der Staatenliste vermerkt ist
• Vor der Reise: Reisen sind beim SiBe anzuzeigen. Dieser kann beim Vorliegen relevanter Informationen die Reise verbieten
• Während der Reise: Beachtung präventiver Maßnahmen im Umgang mit IT und in Verhaltensweisen
• Bei Vorkommnis: Einleitung situationsangepasster Schutzmaßnahmen
• Nach der Reise: Meldung geheimschutzrelevanter Vorkommnisse und Durchführung einer Nachbesprechung

Quellen:

Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SÜG).

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2004). Handbuch für den Geheimschutz in der Wirtschaft (Geheimschutzhandbuch).

Bundesministeriums des Innern (2018). Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum personellen Geheimschutz und zum vorbeugenden personellen Sabotageschutz – SÜG-Ausführungsvorschrift (SÜG-AVV).

Anmerkung Seitens der Privatimus GmbH: Dies ist ein Blogbeitrag von Christian Kluge.

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