Verhalten bei einem Angriff auf eine Yacht

15.02.2019

Trotz einer ausgiebigen Vorbereitung und sorgfältiger Verhaltensweise im Risikogebiet kann es zu einem Überfall auf eine Yacht kommen. Der Modus Operandi variiert sehr. So gibt es Angriffe während jeder Tageszeit, jedem Betriebszustand, mit und ohne Waffen sowie unterschiedlicher Motivation. Eins haben jedoch alle Gemeinsam: es ist für den Betroffenen ein bedrohliches und traumatisches Ereignis.

Um einen unmittelbar bevorstehenden Angriff abzuwehren, ist es wichtig diesen nicht nur frühestmöglich zu erkennen, sondern auch dessen Umstände zu wissen. Nur so kann mit Initiative dem Überfall entgegnet und der Konflikt gelenkt werden. Folglich hat permanente Wachsamkeit oberste Priorität.

Wird eine verdächtige Aktivität registriert, sollte nicht die gesamte Aufmerksamkeit darauf verweilen. Auch das restliche Umfeld ist im Blick zu halten, denn es besteht die Möglichkeit, dass zeitgleich von einer anderen Richtung ein weiterer Angriffsversuch durchgeführt wird.

Ist die Flucht, trotz Ausweichen und Höchstgeschwindigkeit, nicht möglich und es kommt zu einer Auseinandersetzung, sind zwei Ansätze von Verhaltensweisen denkbar: die aktive Kooperation oder die aktive Konfrontation. Welcher Ansatz verfolgt wird, ist abhängig von den persönlichen Präferenzen und dem Umstand des Angriffs (Anzahl der Boote und Angreifer, Bewaffnung, Umfeld etc.).

Je nachdem wie entschieden wird, hat die eigene Sicherheit und die der Crew stets oberste Priorität. Daher ist vom Vorteil, dass alle Crewmitglieder dieselben Verhaltensregeln kennen und beachten, denn auf der See ist man oftmals auf sich alleine gestellt. Auf Hilfe durch die lokalen Behörden, sofern diese überhaupt erreicht werden können, ist in vielen abgelegenen Orten kein Verlass.

Die Angreifer nutzen physische und psychische Gewalt, um die Kontrolle über das Schiff zu bekommen. Unter Gewaltandrohung und -anwendung geben sie der Crew Anweisungen, drohen, entziehen sie der Freiheit und verletzen sie körperlich. Dabei sind die ersten Minuten die gefährlichsten für die Crew. Denn hier ist die emotionale Anspannung auf beiden Seiten am labilsten. Dadurch können Übersprunghandlungen, wie z.B. spontane Aktivitäten, Lachen oder Weinen, mit unkontrollierbarem Ausgang hervorgerufen werden.

Zwei differierende Verhaltensweisen

Weist der Überfall eine hohe Intensität auf und die Angreifer haben eine klare Überlegenheit, ist eine aktive Kooperation denkbar. Hierbei wird kein offensichtlicher Widerstand geleistet und die Situationsbewältigung kann zum eigenen Vorteil genutzt werden.

Um den erregten Angreifer zu beruhigen und deeskalierend zu wirken, sollte, auch wenn es schwerfällt, die Höflichkeit gewahrt bleiben und der Gegenüber respektiert werden. Dazu gehört die Achtung der Kultur des Gegenübers und entsprechende Reaktion auf dessen Kommandos. Zudem sollte die Crew dicht zusammenbleiben und jede Bewegung kontrolliert ausführen.

Im Gegensatz zur Kooperation kennzeichnet sich die aktive Konfrontation durch ein energisches Abwehrverhalten aus. Dabei wird sich möglichst aggressiv den Angreifern entgegengestellt. So soll dieser durch das Aufzeigen von Waffen und lautstarker Ansprache eingeschüchtert werden. Auch Warnschüsse und das Verteilen der Crew auf der Yacht tragen zur Abwehr bei. Dabei ist in erster Linie nicht der Kampf, sondern die Vertreibung der Angreifer das Ziel.

Wird die Oberhand gewonnen, kann es zum Abbruch des Angriffs führen und erneut die Flucht ergriffen werden. Gelingt es nicht den Konflikt zu lenken, besteht jedoch die Gefahr einer Gewaltspirale, wodurch die Gegenseite zu mehr Gewalt motiviert wird, da sie weiterhin ihre Ziele durchzusetzen möchte.

Grundsätzliches Verhalten während eines Angriffs

Unabhängig von der gewählten Verhaltensweise sind einige Punkte zu beachten:

• Ruhe bewahren

• Internationales Notsignal “Mayday” über den UKW (engl. VHF) Kanal 16 absetzen

• Mit Höchstgeschwindigkeit und Ausweichmanövern die Flucht ergreifen

• Keine offensichtlichen Bild- und Videoaufnahme machen, Blitzlicht kann wie Mündungsfeuer einer Waffe wirken

• Informationen, wie Anzahl, Bewaffnung, physische Konstitution, emotionaler Zustand, Altersstruktur, Professionalisierung und Motivlage, über Angreifer sammeln, um zum einen über die nächsten Schritte vorbereitet zu sein, und zum anderen bei einer möglichen Strafverfolgung und der Prävention zu helfen

Verhalten bei Befreiung durch Einsatzkräfte

Eine Befreiung durch Einsatzkräfte ist eine extrem gefährliche Situation für alle Beteiligte. So kann beispielsweise die Crew als Druckmittel missbraucht werden, die Angreifer fürchten um ihr Leben und die Interventionskräfte sind der potenziellen Gegenwehr ausgesetzt. Sollte dieses Szenario eintreten, dann gilt:

• Den Anweisungen der Einsatzkräfte Folge leisten, auch wenn diese zunächst diffus erscheinen

• Es wird sehr laut und furchteinflößend werden (laute Ansprache, Geschrei, Mündungsknall, Irritationskörper)

• Bis die Yacht unter Kontrolle ist, zählt grundsätzlich jede Person als Verdächtiger und wird dementsprechend behandelt

• Auf den Boden legen und plötzliche, schnelle Bewegungen vermeiden

• Nichts in den Händen halten und Hände auf den Kopf legen als Zeichen der Unbewaffnung und für den Eigenschutz

• Fragen über Identität und Zustand müssen zügig beantwortet werden, um die Freund-Feinderkennung zu unterstützen

• Keine Bild- und Videoaufnahmen aufzeichnen

• Hinweise über relevante Informationen, z.B. versteckte Waffen/Personen, Verletzte, helfen den Einsatzkräften beim Vorgehen

Nach dem Angriff

Sobald die bedrohliche Situation überstanden ist, hat die Aufrechterhaltung der Schiffssicherheit und die Abwehr weiterer Gefahren oberste Priorität. Es sollte schnellst möglich ein sicherer Zielhafen angesteuert und bereits während der Fahrt mit der Auslandsvertretung und den örtlichen Behörden Kontakt aufgenommen werden. Gemeinsam können alle weiteren Schritte koordiniert werden. Für die Unterstützung der Strafverfolgung und der Prävention von Angriffen kann ein detaillierter Report über alle Umstände des Überfalls angefertigt werden.

Für die eigene Gesundheit ist eine medizinische Nachsorge wichtig. Neben offensichtlichen Verletzungen kann es durch längere Entführungen beispielsweise zur Mangelerscheinung im Vitamin- bzw. Mineralhaushalt führen, wodurch weitere längerfristige Folgen entstehen können. Zudem kann die Zuhilfenahme psychischer Nachbetreuung der Bewältigung dienen. Denn ein Angriff kann nicht nur zur Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit führen, sondern auch zur gefühlten Hilflosigkeit, Frustration, Angst und menschlicher Entwürdigung. Die nachfolgenden psychischen Folgen variieren dabei je nach dem situativen Erleben und der eigenen Kondition. Umso intensiver und anhaltender die Einflüsse waren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit psychische Folgen zu erleiden.

Keep in Mind

• Modus Operandi der Angriffe sind sehr verschiedenartig

• Durch Wachsamkeit ist eine frühestmögliche Erkennung eines Überfalls möglich

• Je nach Umstand des Angriffs ist eine koordinierte Verhaltensweise anzuwenden

• Aktive Kooperation dient, infolge klarer gegnerischer Überlegenheit, deeskalierend, da kein offensichtlicher Widerstand geleistet und bei der Situationsbewältigung mitgeholfen wird

• Aktive Konfrontation ist ein energisches Abwehrverhalten mit dem Ziel der Vertreibung und der Gefahr einer Gewaltspirale

• Den Anweisungen der Einsatzkräfte während einer Befreiung Folge leisten

• Nach dem Angriff sollten unmittelbare Gefahren beseitigt und ein sicherer Zielhafen angesteuert werden, um mit der Auslandsvertretung das weitere Vorgehen zu koordinieren

• Physische und psychische Nachsorge sind unabdingbar

Quelle:
Yacht 24/16 (2016). Abenteuer, aber sicher. ISSN 0043-9932.
Berswordt, F. (2018). The Complete Yacht Security Handbook: For skippers and crew. ISBN 978-1-472-95167-0.

Anmerkung Seitens der Privatimus GmbH: Dies ist ein Blogbeitrag von Christian Kluge.

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