Krisenkommunikation während einer Produkterpressung

08.04.2019

Krisenkommunikation während einer Produkterpressung

In den deutschen Medien kommt es gelegentlich zu aufsehenerregender Berichterstattung hinsichtlich manipulierter Produkte in Verbindung mit einer erpresserischen Forderung an ein Unternehmen. Dieses Delikt der Produkterpressung kann beim betroffenen Unternehmen teils erhebliche Schäden verursachen. Ausgelöst wird dies zum Beispiel durch einen kostenintensiven Produktrückruf respektive einem Vertrauensverlust der Verbraucher, das sich in einem Umsatzrückgang niederschlagen kann. Daher wird die Produkterpressung wesentlich von der Angst des betroffenen Unternehmens vor einer medialen Krise vorangetrieben. Um systematisch solch ein potenziell existenzbedrohendes und dynamisches Ereignis zu bewältigen, kommt der Krisenkommunikation, als Teil des Krisenmanagements, eine zentrale Rolle zu.

Durch die gründlich vorbereitete und abgestimmte Krisenkommunikation im Erpressungsfall kann das betroffene Unternehmen das Vertrauen der Verbraucher aufrechterhalten. Im Folgenden werden wesentliche Aspekte der Krisenkommunikation in fünf Phasen aufgegliedert. Ergänzend zu den drei delikttypischen Phasen einer Produkterpressung sind im Sinne eines ganzheitlichen Krisenmanagements die Vorbereitung sowie die Nachbereitung als zusätzliche Phasen beleuchtet. Dies ist als ein Kreislauf zu verstehen.

Die Vorbereitungsphase

Der Eintritt einer Produkterpressung geschieht ad hoc. Dagegen sind Vorbereitungsmaßnahmen planbar. Diese finden im Normalzustand statt und dienen der Krisenvermeidung bzw. der Schadenbegrenzung. Der Umfang von Präventionsmaßnahmen ist abhängig von der Anfälligkeit und der Struktur eines Unternehmens. Insbesondere Organisationen aus der Lebensmittelbranche sind aufgrund des einfachen Zugangs zu manipulationsfähigen Produkten und der hohen Öffentlichkeitswirkung gefährdet. Weitere Indikatoren sind eine potente Finanzkraft sowie der Bekanntheitsgrad eines Unternehmens. Die unternehmensspezifische Vorbereitung lässt sich in eine konzeptionelle und operative Vorbereitung untergliedern.

Ein wesentlicher Bestandteil der konzeptionellen Vorbereitung ist die Integration der Krisenkommunikation in das Krisenmanagement. Häufig wird dazu das Krisenhandbuch, welches den Handlungsrahmen, und die Infrastruktur im Falle einer Krise regelt, genutzt. Aus operativer Sicht ist ein gutes Vertrauensverhältnis zum externen Netzwerk aufzubauen und zu pflegen. Dazu gehören Ansprechpartner in den zuständigen Strafverfolgungsbehörden, einschlägige Medienvertreter und Berater mit Spezialwissen. So ist bei Bedarf ein direkter und vertrauensvoller Kommunikationsstrang vorhanden.

Alle Vorbereitungshandlungen sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Praxistauglichkeit zu testen und ggf. anzupassen. So wird ein geordneter Ablauf im Krisenverlauf ermöglicht und schafft Raum für strategisches Vorgehen, sodass die Krisenkommunikation als Chance betrachtet werden kann.

Die Kontaktphase

Trotz umfangreicher Vorbereitungshandlungen kann eine Produkterpressung nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Kommt es dennoch zu einer Erpressung, ist gründlich abzuwiegen, ob die Öffentlichkeit unverzüglich gewarnt werden muss, denn oftmals handelt es sich lediglich um eine Drohung ohne Kontaminationsabsicht. An dieser Stelle setzt die Krisenstabsarbeit ein. Es gilt zu entscheiden, ob die Erpressung mittels Krisenkommunikation proaktiv nach außen getragen werden soll.

Dies sollte zum einen geschehen, wenn der Täter von sich aus Informationen an die Medien übermittelt bzw. die Erpressung auf andere Art und Weise bekannt wird. Das Zurückhalten von Erstinformationen über eine Erpressung ist insbesondere durch Social Media schwierig geworden. Ist eine Erpressung erst einmal öffentlich bekannt geworden, kann sie sich rasant verbreiten.
Zum anderen sollte die Erpressung nach außen kommuniziert werden, sofern ein hohes Gefährdungspotenzial für Verbraucher besteht. Dies ist dann der Fall, wenn durch fehlerhafte Produkte, wie es bei einer vorsätzlichen Manipulation der Fall wäre, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen vorliegt. Die dann gebotene Handlung des Unternehmens ist die Warnung respektive der Produktrückruf. Diese Gefahrenabwehrpflicht ist durch das Produktsicherheitsgesetz geregelt.

Bevor jedoch die Öffentlichkeit über die Erpressung informiert wird, sind die eigenen Mitarbeiter umfassend in Kenntnis zu setzen und konkrete Handlungsanweisungen über das Kommunikationsverhalten zu übermitteln, denn diese haben oft den (Erst-)Kontakt nach außen.

Die Verhandlungsphase

Im weiteren Verlauf der Produkterpressung ist der Informationsbedarf sowohl intern als auch extern fortdauernd zu befriedigen: nach innen gerichtet durch regelmäßige einheitliche Mitarbeiterinformierung und nach außen durch aktive Medienbetreuung, Informationskoordination sowie Medienmonitoring. Das Monitoring ermöglicht zum einen die Verfolgung aktueller Berichterstattung und zum anderen die Ermittlung einer Prognose über zukünftige Berichterstattung. So kann die Kommunikationsstrategie gezielt ausgerichtet werden. Um den Erfolg der Strategie zu überprüfen und ggf. anzupassen, wird häufig eine Medienresonanzanalyse, anhand von definierten Kenngrößen, durchgeführt.

Des Weiteren gilt es zu beachten, dass die freigegebenen Informationen über die konkreten Tatumstände der Produkterpressung auf ein Minimum zu beschränken und stets mit den Strafverfolgungsbehörden abzustimmen sind. Andernfalls könnte der Täter Erkenntnisse über den Ermittlungsstand erfahren und Nachahmer animiert werden.

Die Übergabephase

Sofern der Täter nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt von seinem Vorhaben abgelassen hat, ist die letzte Phase der Produkterpressung durch die konkrete Vorbereitung und Durchführung der Geldübergabe geprägt. Da dies stets eine polizeiliche Maßnahme ist, welche in die Festnahme des Täters münden soll, gilt es sich eng mit den beteiligten Behörden abzustimmen. Um die polizeilichen Maßnahmen nicht zu erschweren oder gar zu torpedieren, ist intern sowie extern nur notweniges Personal darüber in Kenntnis zu setzten.

Nach erfolgreicher Festnahme oder ablassen des Täters schließt die Übergabephase mit einer finalen Pressemitteilung ab. Auch hierbei ist eine enge Abstimmung mit den Behörden erforderlich. Die abschließende Informationsvermittlung sollte die Krisenursache, die Auswirkungen, die wesentlichen Bewältigungsmaßnahmen sowie den Krisenverlauf beinhalten. Bei besonders medienwirksamen Erpressungen erscheint zusätzlich eine Pressekonferenz als wichtige vertrauensbildente Maßnahme.

Die Nachbereitungsphase

Die Analyse und Bewertung der Krisenkommunikation nach einer Produkterpressung ist ein wesentlicher Prozessbestanteil. Dies dient zum einen der kontinuierlichen Verbesserung und zum anderen der Wiederherstellung des Vertrauens. Die Art und Weise der Nachbereitung richtet sich nach dem Ausmaß der Krise aus.

Dabei wird das Verhalten der Involvierten sowie der Krisenkommunikationsplan in puncto Wirksamkeit und Angemessenheit überprüft. Auf Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse sind gegebenenfalls bestehende Konzepte anzupassen oder zu ergänzen.

Keep in Mind

• Produkterpressungen haben das Potenzial zu einer medialen Krise mit weitreichenden Folgen

• Eine kontinuierliche Vorbereitung auf eine Produkterpressung ist notwendig und trägt durch konzeptionelle und operative Vorkehrungen zur systematischen Krisenbewältigung bei

• Proaktive Krisenkommunikation ist notwendig, wenn der Täter die Medien informiert, eine Gefahr für die Verbraucher besteht oder die Öffentlichkeit auf andere Art und Weise in Kenntnis gesetzt wurde

• Es ist fortlaufend der interne und externe Informationsbedarf zu befriedigen

• Für eine konstruktive Aufarbeitung ist die Krisenkommunikation zu analysieren und zu bewerten

Quellen:

Moseschus, A. M. (2004). Produkterpressung: Ein Kriminalphänomen unter kriminologischer, straf- und haftungsrechtlicher sowie taktischer Betrachtungsweise. ISBN 978-3-865-37186-7.

Trauboth, J. H. (2016). Krisenmanagement in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen: Professionelle Prävention und Reaktion bei sicherheitsrelevanten Bedrohungen von innen und außen. ISBN 978-3-415-05517-9.

Bundesministerium des Innern (2014). Leitfaden Krisenkommunikation.

Anmerkung Seitens der Privatimus GmbH: Dies ist ein Blogbeitrag von Christian Kluge.

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