Notwendigkeit von privaten Sicherheitsdiensten auf deutschen Handelsschiffen

30.07.2019

Räuber, Piraten sowie Söldner gelten als finstere, hin und wieder sogar als romantische Gestalten längst vergangener Zeiten. Gegenwärtig treten sie jedoch wieder im Weltgeschehen vermehrt auf. Insbesondere dort, wo die Neuerungen der modernen Welt, wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, noch nicht ausreichend Einzug gehalten haben, etablieren sie sich zum alltäglichen Begleiter. So konnte sich seit Ende des letzten Jahrtausends die gewalttätige Form des Seeraubes weltweit an einigen Hotspots des Handels als alternative Einnahmequelle festsetzen. Besonders stark betroffen sind Küstenabschnitte vor West- und Ostafrika sowie Südostasien. Nicht nur die Anzahl von Überfällen steigt dort an, sondern auch die Gewalt, die von den Piraten gegenüber der oftmals wehrlosen und überforderten Besatzung ausgeht. Denn der Fokus der Räuber entwickelt sich vom schlichten, schnellen Ausrauben des Schiffes zu Geiselnahmen in Verbindung einer Lösegeldforderung gegenüber der Reederei. So sehen sich die Reeder gezwungen private, bewaffnete Sicherheitsdienste zum Schutz ihrer Schiffe gegen dieses Risiko einzusetzen. Wie real diese Gefahr ist, zeigt der Fall des ungeschützten deutschen Frachters Hansa Stavanger im April 2009. Erst nach vier Monaten Geiselhaft ist die zwei Dutzend starke Besatzung gegen ein millionenschweres Lösegeld freigelassen worden. Die psychischen und physischen Belastungen, die auf die Besatzung eingewirkt haben, waren enorm. Die zumeist monetär angetriebenen Piraten verüben jährlich zahlreiche solcher Angriffe. Angesichts der brutalen Pirateriepraxis lässt sich vermuten, dass der Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten weiter intensiviert wird.

Seit der Entwicklung des Schiffbaus sind die Weltmeere zu einer wichtigen Handelsroute geworden. Infolge der anhaltenden Globalisierung sind die Weltmärkte zunehmend dichter vernetzt und voneinander stark abhängig. Damit einhergehend nimmt der Schiffsverkehr und dessen Vulnerabilität enorm zu. Der Warenverkehr mittels Handelsschiffe gilt derzeit als günstige und alternativlose Art und Weise massenweise nicht-zeitkritische Güter über große Distanzen zu transportieren. Insbesondere Deutschland, als rohstoffarmes und exportorientiertes Land, hat ein besonders hohes Interesse an einem unbeeinträchtigten seeseitigen Handel. Somit ist der freie Warenverkehr eine wesentliche Säule für die Sicherheit und den Wohlstand Deutschlands und gilt im besonderen Maße als schützenswert. Neben den volks- und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen werden durch die brutalen Überfälle vor allem die Besatzungen und deren Angehörige negativ beeinträchtigt. Infolge einer Geiselnahme können die Besatzungsmitglieder erhebliche psychische und physische Schäden durch ihre Peiniger erleiden. Auch die Angehörigen stehen in dieser Zeit unter einer hohen psychischen Belastung. Folglich können beide Gruppen an lebensbeeinträchtigten Langzeitfolgen erleiden. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die moderne Piraterie eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Mensch und Wirtschaft ist, wodurch die Notwendigkeit erkennbar wird, dass die Schiffe in Risikogebieten geschützt werden müssen.

Doch wie soll, angesichts der großen Anzahl an Handelsschiffen, ein effektiver Schutz aussehen?

Ein gesetzlicher Anspruch auf direkte Schutzmaßnahmen für deutsche Handelsschiffe, die sich außerhalb der eigenen territorialen Gewässer befinden, besteht nicht. Jedoch ergibt sich aus den Grundrechten eine generelle Pflicht des Staates sich schützend vor den Rechtsgütern seiner Bürger zu stellen. Im Falle eines Piratenüberfalles ist unter anderem der Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz betroffen. Denn dieser schützt das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Das Grundgesetz gibt zwar vor, dass der Staat schützend eingreifen muss, die detaillierte Ausgestaltung jedoch obliegt in seinem Ermessen. Der Staat muss demnach Maßnahmen treffen, die nicht ungeeignet erscheinen. Deutschland setzt dies durch die Beteiligung der Deutschen Marine an der EU-geführten Anti-Piraterie-Mission Atalanta, welche im Golf von Aden operiert, um. Des Weiteren hat die Legislative im Dezember 2013 rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von in- und ausländischen privaten Sicherheitsdiensten an Bord geschaffen. Somit besteht keine Verpflichtung zum Einsatz staatlicher Kräfte auf deutschen Handelsschiffen in Risikogebieten.

Diese Auffassung teilt der Verband Deutscher Reeder jedoch nicht. Denn dieser forderte schon im Jahr 2011 den Einsatz von Polizisten oder Soldaten. Für die Reeder wäre der Einsatz hoheitlicher Kräfte sicher mit einem großen Kostenersparnis, geringerem administrativen Aufwand und keiner aufwändigen Suche nach einem seriösen Dienstleister verbunden. Ebenso spricht sich die Gewerkschaft der Polizei für den Einsatz von Polizisten aus, denn der Schutz der Handelsschiffe sei von Rechtswegen eine hoheitliche Aufgabe. Gesetzlich ist dies sogar im § 6 S. 1 Bundespolizeigesetz verankert. Dieses weist der Bundespolizei die Ausübung der Hoheitsgewalt auf Handelsschiffen im Bereich der Gefahrenabwehr und damit auch der Pirateriebekämpfung zu. Die Bundespolizei könnte durch die operative Übernahme dieser Aufgabe weitere Stellen schaffen und so ihre Position stärken. Die Bundesregierung der 17. Wahlperiode entgegnet jedoch, dass der Einsatz von staatlichen Kräften zum Schutz privater Schiffe aus logistischen, finanziellen sowie operativen Gründen nicht zweckmäßig sei. Ergo, haben die Reeder keine andere Wahl als sich mit dem Einsatz privater Sicherheitsdienste auf eigene Kosten zur Abwehr von Piratenangriffen zu behelfen.

Piratenüberfalle sind durch die physischen und psychischen Folgen auf die entführten Besatzungsmitglieder ein enormes Risiko. Ebenso Leidtragende sind deren Angehörige und Reedereien. Ferner ist die vom Seehandel abhängige deutsche Wirtschaft durch betriebs- und volkswirtschaftliche Beeinflussung beeinträchtigt. Angesichts dieser negativen Auswirkungen ist der Schutz von deutschen Handelsschiffen in bekannten Risikogebieten notwendig. Eine staatliche Pflicht, den Schutz der Schiffe durch bewaffnete hoheitliche Kräfte wie Polizisten oder Soldaten zu garantieren, besteht nicht. Denn durch das Engagement an der Anti-Piraterie-Mission Atalanta und die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten an Bord, hat der Staat ausreichend gehandelt. Nichtsdestotrotz sind hoheitliche Kräfte wünschenswert, denn diese sind engmaschig kontrolliert, auf hohem Niveau ausgebildet und haben das eskalative Vorgehen respektive den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verinnerlicht. Insgesamt ist der Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten zum Schutz vor Piratenüberfällen auf deutschen Handelsschiffen gerechtfertigt.

Keep in Mind

– Piratenüberfälle haben erhebliche negative interpersonelle, betriebs- und volkswirtschaftliche Auswirkungen

– Daher ist der Schutz von deutschen Handelsschiffen in Risikogebieten notwendig

– Eine staatliche Pflicht zum Schutz deutscher Schiffe durch bewaffnete hoheitliche Kräfte besteht nicht

– Der Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten zum Schutz vor Piratenüberfällen auf deutschen Handelsschiffen
ist gerechtfertigt

Quellen:

Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland (2011). Maßnahmen im Kampf gegen Piraterie. Herausgeber: 17. Wahlperiode Deutscher Bundestag. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/17/067/1706715.pdf.

Gewerkschaft der Polizei (2011). Bundesinnenministeium kapituliert vor Piraterie. https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_GdP-Bundespolizei_Bundesinnenministeium_kapituliert_vor_Piraterie.

Verband Deutscher Reeder (2011). VDR – Vorschläge zum Schutz vor Piraterie. https://www.reederverband.de/de/presse/pressemitteilung/artikel/vdr-vorschlaege-zum-schutz-vor-piraterie.html.

Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags (2011). Schutz vor Piraten durch private Sicherheitsdienste. https://www.bundestag.de/resource/blob/412736/67c024e9f8eed9827ac03c29adb06e9b/wd-3-258-11-pdf-data.pdf.

Anmerkung Seitens der Privatimus GmbH: Dies ist ein Blogbeitrag von Christian Kluge.

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